Bildungsunterfinanzierung – die katastrophalen Zustände der Kasseler Schulen

veröffentlicht am: 30 Jan, 2019

Kaputte Fenster und Heizungen, unerträgliche Toiletten, Schimmel an Wänden und veraltete Austattung in Sporthalle, Cafeteria und Naturwissenschaftsräumen – genau das ist für viele SchülerInnen der Kasseler Schulen Alltag. Nichte erst seit gestern, sondern seit Jahren, haben die Kasseler Jugendlichen mit unzumutbahren Umständen in ihrem Lernumfeld zu kämpfen. Das zeigt sich beispielsweise darin, dass ein Trakt der Kasseler Paul-Julius-von-Reuter Schule im Sommer 2018 wegen Einsturzgefahr geschlossen werden musste. Als anderes Beispiel kann man die Offene Schule Waldau betrachten: Es gibt Löcher in der Decke,weshalb es zeitweise reingeregnet hat. Fenster, die sich nicht öffnen lassen und welche zu unangenehmer Luft und im Sommer zu erhitzten Klassenzimmern führen. Toiletten, bei denen die Lüftung kaputt ist und Natuwissenschaftsräume, die durch den TÜV gefallen sind, da sie seit den Achtzigern keine Sanierung mehr gesehen haben.
Sollte man uns nicht die bestmögliche Bildung bieten, weil wir die „Zukunft“ sind?
So fühlt man sich nicht, wenn man in dieser unangenehmen, ekelhaften und zum Teil sogar gesundheitsschädlichen Umgebung lernen muss. Doch die Antworten der PolitikerInnen sind alles andere als befriedigend: Es seien nicht genug Handwerker da und man habe nicht genug Geld. Und das, obwohl in 2017 das Kasseler Rathaus für 20 mio Euro grundsaniert wurde. Da fragt man sich, ob sich die Stadtverordnetenversammlung wohl selbst mit Handwerksausrüstung hingestellt hat, wenn es doch keine Handwerker gibt. Als letztes Wort, wurde nur behauptet, dass die Schulen in regelmäßigen Überprüfungen begangen werden und der Zustand wohl noch nicht akut genug sei.
Was sagen wir dazu?
Stellen wir uns einmal vor, wie groß die Empörung wäre, wenn das Rathaus so aussehen würde, wie einige marode Schulen in Kassel. Das Rathaus wurde mit einem Aufwand von Millionen saniert. Natürlich ist das Problem krass. Aber es ist für die Politik nicht akut, weil ihnen die Schülerschaft egal ist. Da wird das Geld lieber für Rüstung ausgegeben. Unternehmen und Konzernchefs sollen möglichst viel Cash machen, statt ordentlich Steuern zu bezahlen. Das Geld ist da. Mit dem jährlichen Gewinn von Volkswagen könnte man alle Schultoiletten in Deutschland sanieren. Auch Handwerker wären da, wenn der Staat sich darum kümmern würde, dass es gescheite Arbeitsbedingungen in den Handwerksbetrieben gibt und Schulen wichtiger wären als Pannen-Projekte wie der Flughafen Kassel-Calden.
Hausaufgaben, Leistungsdruck, Lernstress
Jedoch nicht nur marode Gebäude beeinträchtig SchülerInnen beim Lernen:
Hausaufgaben – ein grausiges Wort für jede/n zweite/n SchülerIn. Das bestätigt die Umfrage der Schülervertretung am Goethe-Gymnasium. Jede/r Dritte sagt, es werde zu viel aufgegeben.
Durch Hausaufgaben und Klausuren fühlen sich SchülerInnen, besonders die in der Oberstufe, sehr gestresst. Sollte man ein anspruchsvolles Hobby haben, hat man meistens sowieso schon das schwierigste Los gezogen. Die Umfrage ergab, dass 52 % der OberstufenschülerInnen aufgrund der Hausaufgaben wenig bis gar keine Freizeit mehr haben. Wenn dann noch eine Freizeitaktivität dazukommt, ist man praktisch gezwungen, irgendwo zu kürzen. Und das, obwohl es ein für Jugendliche gesetzlich festgeschriebenes Recht auf Freizeit gibt.

Auch physische und psychische Beschwerden werden häufig durch Schulstress verursacht. In Klausurenphasen schießt der Kaffeekonsum auf einmal hoch, man hat plötzlich unregelmäßigeres Essverhalten und Kopfschmerzen. Auch Schlafprobleme sind leider nicht selten gesehen.
Der Stress und die daraus folgenden Einschränkungen im Privatleben scheinen von der 5.Klasse bis zur Q-Phase proportional zu steigen. In den oberen Klassen erfährt man meist mehr Druck. Klar, schließlich wird nochmal aussortiert, bevor das Abitur anfängt. LehrerInnen können oft nicht auf alle SchülerInnen individuell eingehen, weil Geld fehlt, um die Klassen kleiner zu machen. Dass die meisten SchülerInnen, die es in überfüllten Klassen mit immer höherem Druck nicht schaffen, die ohne Geld für Nachhilfe, ohne Unterstützung aus dem Elternhaus oder generell aus prekären und ärmeren Verhältnissen sind, wird nicht berücktsichtigt. Über 15% aller SchülerInnen brauchen mindestens oft Hilfe bei ihren Hausaufgaben. Das zeigt, die Ungerechtigkeit, dass man gelitten hat, wenn die Eltern nicht bei den Hausaufgaben helfen können oder keine Nachhilfe bezahlen können.
Warum werden unsere Schulen nicht saniert?
Der Sanierungsstau an deutschen Schulen beträgt 48 Milliarden €. Das reichste deutsche Paar besitzt zusammen 25 Milliarden € und der Rüstungsetat steigt für 2019 auf mehr als 41 Milliarden €. Wie passt das zusammen? Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Macht hat, wer das große Geld hat und für deren Interessen und Gewinne wird die Politik gemacht. Eine gute Lernumgebung für uns lohnt sich für die großen Konzerne und ihre Politiker nicht. Die Regierung wird eher alle Schulen verrotten lassen, als die Banken, Konzerne und Superreichen gescheit zu besteuern. Damit das auch so bleibt, bestechen sie die Parteien mit Spendengeldern. Außerdem haben große Konzerne Stiftungen und Lobbyisten, mit denen sie die öffentliche Meinung beeinflussen können, Eingaben an die Politik schreiben und Parlamentarier beraten. Beeinflussungsmöglichkeiten für die Reichen gibt es Unzählige. Es sind auf jeden Fall mehr, als alle paar Jahre mal wählen zu gehen.
Warum müssen wir unter Stress lernen?
Ab der 9. Klasse müssen SchülerInnen im Schnitt 45 Stunden in der Woche für die Schule aufwenden. Zeit für Hobbys und Freunde bleibt da nur wenig und jeder zweite Schüler fühlt sich überfordert. Den Druck gibt es, weil der Schulabschluss und die Noten darüber entscheiden, welche Chancen wir auf den gewünschten Ausbildungs- oder Studienplatz haben. Wenn wir alle ein Recht auf einen gescheiten Ausbildungsplatz oder einen Studienplatz mit einer gesicherten Berufsperspektive hätten, dann wäre der Druck viel geringer. Aber die Großkonzerne haben kein Interesse daran, uns allen eine gute Ausbildung mit gesicherter Berufsperspektive zu ermöglichen, sondern uns möglichst schnell durch Noten vorsortiert auf dem Arbeitsmarkt zu haben, um uns dann möglichst billig für ihre Gewinne arbeiten zu lassen.Der Stundenaufwand für die Schule steigt, weil die Prüfungsanforderungen steigen und sich immer weniger LehrerInnen um immer mehr SchülerInnen kümmern müssen. Deswegen wird der Unterrichtsstoff immer mehr auf die Hausaufgaben und die Nachhilfe abgeschoben, weil der Lehrer wegen immer mehr Inhalten für sehr viele SchülerInnen durchrasen muss und nicht individuell auf die Leute eingehen kann. Das Ergebnis ist, dass SchülerInnen sich abrackern und kaputt machen, aber kurz nach der Klausur nichts mehr wissen. Das ist ziemlich unsinnig, aber es wird so gemacht, weil weniger LehrerInnen und Schulzeitverkürzung auf G8 Einsparungen sind, die dann in die Profite der Großkonzerne gehen. Cooler Nebeneffekt von Noten: Weil wir Angst vor schlechten Noten haben, überlegen wir uns zweimal, ob es sich lohnt den Mund aufzumachen gegen Ungerechtigkeiten in der Schule und dann auch später gegen schlechte Ausbildungsbedingungen im Betrieb.
Warum ist Unterricht langweilig?
Wir alle kennen es: Wir sitzen im Unterricht und schlafen fast ein. Das hat verschiedene Gründe. Wenn es mehr Geld für Bildung geben würde, dann könnte man im Naturwissenschaftsunterricht mehr Experimente machen, mehr praxisorientierte Ausflüge machen und in kleineren Klassen mehr auf die Interessen der einzelnen SchülerInnen eingehen. Ein anderer Grund ist, dass der Unterricht uns vor allem fit machen soll für den Arbeitsmarkt, weil eben die Interessenvertretungsverbände der Großkonzerne öfter mit den Bildungspolitikern an einem Tisch sitzen als zum Beispiel Schülervertretungsstrukturen. Wir wollen aber nicht nur für den Arbeitsmarkt lernen, sondern um zu einem kritisch-denkenden Menschen zu werden, der lebensfähig ist und seine Interessen und Talente herausfinden und weiterentwickeln kann.

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