Stellungnahme zum Kasseler Schulstreik

veröffentlicht am: 14 Dez, 2017

Liebe SchülerInnen und Schüler,
Am Montag den 11.12. haben knapp 1000 Schüler in Kassel gegen den Sanierungsstau von 144 Millionen an Kasseler Schulen gestreikt. In dem Haushaltsplan Kassels sind nämlich nur 2,7 Millionen für Kassels Schulen eingeplant (hinzu kommen noch 30 Millionen vom Land). Das ist natürlich zu wenig, wenn man 144 Millionen für die Behebung der Mängel braucht, von einer Weiterentwicklung der Ausstattung der Schulen ganz zu schweigen. Alle großen Medien von ARD bis Spiegel haben über unser Anliegen berichtet. Auch vor dem Streik haben wir schon durch einige Aktionen, Gespräche (mit Politikern), Veranstaltungen und Unterschriftensammlungen deutlich gemacht, dass es mit Kassels Schulen und dieser Bildungspolitik generell nicht so weitergehen kann, wie bisher.
Dass sich etwas in Kassels Schulen ändern muss, ist den meisten Eltern, Schülern und Lehrern klar. Es darf keine Schulen geben, an denen es reinregnet, in denen es Schimmel gibt, Naturwissenschaftsräume ungeeignet für Experimente sind oder Toiletten und Schulgebäude generell in einem unzumutbaren Zustand sind. Hinzu kommen andere Probleme in unserem Bildungssystem, wie dass wir viel zu viel Geld für Schulsachen und Nachhilfe zahlen müssen, es zu wenig Lehrer für gescheite Klassengrößen gibt und Schule nur für den Arbeitsmarkt fit macht und für denselben aussortieren soll, statt dass unsere Interessen gefördert werden und wir mit Spaß für unser Leben lernen.
Bei den vielen vorhandenen Missständen kann man natürlich nicht einfach still sein. Deswegen haben wir am Montag den 11.12. einer breiten Öffentlichkeit gezeigt, dass es so nicht weitergehen kann und wir dagegen aktiv sind. Trotz Unterstützung der Partei Die Linke im Rathaus hatten wir mit unserem Anliegen keinen Erfolg. Das heißt es gab nicht mehr Geld für Bildung als geplant. Ein Erfolg war dieser Streik von der Beteiligung her trotzdem.
Aber warum gibt es nicht mehr Geld für Bildung, wenn doch die Probleme für alle Betroffenen offensichtlich sind?
Wir haben es im Kasseler Rathaus mit einer Regierung zu tun, die auf jeden Fall schon einen Spielraum hätte. Aber ihre Prioritäten liegen bei denen, die mehr Einfluss haben: Zum Beispiel die Konzerne in Kassel. So wurde der Flughafen Kassel Calden mit Geld vollgepumpt, weil es den Standort Kassel für Unternehmen attraktiver macht. Es gäbe auch die Möglichkeit, dass Kassels Konzerne mehr Gewerbesteuer zahlen. Sie profitieren schließlich von gut gebildeten Fachkräften, dann sollen sie doch auch dafür zahlen! Das sind nur zwei Möglichkeiten, wie man uns eine bessere Bildung finanzieren könnte. Aber auch mit dem hohen Überschuss der im Haushalt eingeplant ist, könnte man einige Schulen sanieren. Schließlich handelt es sich hier eindeutig an einigen Schulen um akute Notfälle.
Besonders mies ist aber, dass zum Beispiel Mitglieder der SPD in Kassel behaupten, dass das Schulstreikbündnis von der Partei Die Linke instrumentalisiert wurde. Das weisen wir scharf zurück. Natürlich nehmen wir jede helfende Hand an. Die Linken sind eben die, die am konsequentesten für mehr Geld für Bildung im Rathaus stehen. Die Initiative für das Bündnis kam nicht von der Partei die Linke, sondern von Schülern der SV der OSW und einigen SDAJlern, die selber in ihren SVen aktiv sind .
Aber natürlich sind nicht einfach nur die Kommunalpolitiker in Kassel gemeint. Sie könnten auf jeden Fall mehr Geld für Kassels Schulen ausgeben, aber die Ursachen für dieses insgesamt mangelhafte Schulsystem sind größer. Den Kommunen wird relativ wenig Geld zur Verfügung gestellt. Dafür erhöht dann zum Beispiel der Bundestag bis zum Jahr 2024 die Ausgaben für die Bundeswehr auf 60 Milliarden € und von einer gescheiten Besteuerung der Superreichen und deren Konzerne sind wir weit entfernt. Stattdessen wird dann an unseren Schulen gespart, weniger Lehrer eingestellt, Nahverkehrspreise werden teurer und Jugendzentren werden geschlossen.
Das liegt daran, dass in unserem Land die Leute, die Geld haben, auch die Macht haben. Während sich unsere Macht darauf beschränkt alle paar Jahre ein Kreuz zu machen, wer die Bildungsunterfinanzierung jetzt organisiert, können die Verbände der Großkonzerne Eingaben an den Bundestag machen, Beraterverträge mit Politikern abschließen und zum Teil selber direkt in Ausschüssen von verschiedensten Parteien ihre Interessen durchsetzen. Wenn Beeinflussung auf diesem Weg einmal nicht funktionieren sollte, dann können die Konzerne immer noch sagen: „Dann verlasse ich halt Deutschland und alle werden arbeitslos.!“ So läuft das halt, wenn der Reichtum wenigen gehört und diese frei darüber verfügen können. Das sind tiefgreifende Probleme, die große Veränderungen erfordern.
Obwohl die Ursachen für die Probleme in unserem System begründet liegen, welches nur langfristig abgeschafft werden kann, sollten wir nach diesem Streik nicht aufhören, uns für eine bessere Bildung und unsere Interessen allgemein einzusetzen. Unser Streik war ein guter Anfang, mit dem wir viel Aufmerksamkeit bekommen haben und gezeigt haben, dass die Politiker doch nervös werden, wenn viele Schüler gemeinsam aktiv werden. Wenn wir das nächste Mal noch mehr, noch besser organisiert und besser mit Eltern und Lehrern vernetzt sind, können wir vielleicht bei der Haushaltsverabschiedung im nächsten Jahr Erfolge erringen. Es ist nicht unmöglich. So schaffte es die LSV Hessen vor ein paar Jahren Lehrerstellenkürzungen zu verhindern und die bundesweite Bildungsstreikbewegung von 2009 – 2011 an einigen Orten Bildungsreformen zu verhindern bzw. abzuschaffen, die zu noch mehr Leistungsdruck geführt hätten.
Das Streik-Ende darf nicht das Ende unserer Aktivität bedeuten. Auch bis zum nächsten Streik heißt es: Lasst uns aktiv werden an unseren Schulen und in unseren SVen Aktionen für mehr Geld für Bildung und gegen zu viel Lernstress machen. Sodass das Thema auch bis zum nächsten Streik in der Öffentlichkeit präsent ist und nicht vergessen wird. Auch auf Schulebene kann man kleine Erfolge erzielen. So kann man als SV zum Beispiel die Hausaufgabenregelung in der Schulkonferenz ändern oder Regelungen zur Unterrichtsgestaltung treffen. Auch das verbessert die Situation von uns Schülern und bringt uns in Bewegung. Daneben lohnt es sich natürlich auch Projekttage und Aktionen gegen die miese Bildungspolitik der Stadt um kleinere Belange wie gegen marode Toiletten oder gegen zu hohe Kosten für Lehrmaterialien direkt an den Schulen zu starten.
Auch die SchülerInnen der SDAJ Kassel tauschen sich regelmäßig über die Aktivitäten an ihren Schulen aus und beschäftigen sich mit neuen bildungspolitische Entwicklungen. Auch zu einigen anderen Themen wie Rassismus, Krieg und Flucht sind wir aktiv.
Wenn ihr Interesse habt, mit uns aktiv zu werden, meldet euch unter: sdaj@roteserver.de
Liebe Grüße!
SDAJ Kassel
Wir fordern:
Mehr Geld in die Bildung, damit baufällige Schulgebäude renoviert und alle Bildungseinrichtungen mit dem neuesten und Fortschrittlichsten Lehrmaterial ausgestattet werden!
Weg mit dem gegliederten Schulsystem: Eine Schule für alle!
Maximal 20 SchülerInnen bei zwei LehrerInnen pro Klasse!
Mitbestimmung von SchülerInnen bei Bildungsinhalten und Methoden!
50% Stimmanteil für SchülerInnen auf allen bildungspolitischen Entscheidungsebenen!
Vielfältige Kulturelle und sportliche Freizeitangebote in Schulen!
Kostenlose Bildung für alle!
Abschaffung des Notensystems!
Recht auf Bildungsstreik!

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