Interview mit Paul Rodermund zum Charakter der EU

veröffentlicht am: 23 Nov, 2014

Zu welchem Zweck wurde die EU gegründet und welche Ziele verfolgt sie? Was ist das für ein Bündnis?
Paul: Die Geschichte der EU beginnt 1951 mit der europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und 1957 mit der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Grund für diesen Zusammenschluss war vor allem die kapitalistische Restauration nach dem zweiten Weltkrieg. Die Sowjetunion und ihre Verbündeten waren eine bedeutende Macht geworden, gegen die es zu kämpfen galt. Für die BRD war dieses Bündnis auch eine Chance, international wieder eine Rolle zu spielen. Allgemein ging es darum, sich wirtschaftliche Vorteile gegenüber Ländern außerhalb der EU zu erarbeiten. Damals wie heute sind die EU und ihre Vorgänger imperialistische Bündnisse zur Durchsetzung der Interessen der nationalen Banken und Konzerne. Heute sind dabei vor allem die USA und immer stärker die BRICS Staaten Konkurrenten.Entgegen der Behauptungen ging es der EU nie um Frieden, Freiheit und Demokratie, sondern um Macht- und Wirtschaftspolitik. Diese EU steht gegen die Interessen der werktätigen Bevölkerung, was man zum Beispiel an der Krisenpolitik der Troika oder den gemeinsamen Militäreinsätzen sehen kann.
Am Anfang ging es der BRD in der EU darum, wieder international mitspielen zu dürfen. Doch welche Rolle spielt Deutschland heute in der EU?
Paul: Seit dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik und der Rückgewinnung des Handlungsspielraums des deutschen Monopolkapitals im europäischen Osten ist der Kampf um die Hegemonie in der EU zugunsten Deutschlands grundsätzlich entschieden. Entsprechende Maßnahmen auf europäischer Ebene haben die Stellung der deutschen Banken und Konzerne abgesichert und gestärkt. Dazu zählt bspw. die Schaffung eines einheitlichen Währungsraums mit dem Euro. Dazu gehören aber auch Maßnahmen wie die Stärkung des Stimmengewichts der bevölkerungsreichen Länder im europäischen Parlament seit dem Lissabon Vertrag. Die BRD als bevölkerungsreichstes Land der EU hat also ökonomisch wie politisch das Sagen. Durch die Krise hat sich auch innereuropäische Konkurrenz verschärft. Neue Institutionen – wie die EFSF und der ESM – wurden sogar außerhalb der Union gegründet. Diese Gesellschaften wie auch die Euro-Gruppe werden von den kerneuropäischen Ländern, und hier vor allem von Deutschland, dominiert. Es sind Institutionen in denen nach Wirtschaftskraft entschieden wird. Deutschland (27,1 Prozent) und Frankreich (20,4 Prozent) haben zusammen nahezu die absolute Mehrheit.
Griechenland ist hoch verschuldet und kauft trotzdem Waffen. Aber zeigen sich dort durch das Sparprogramm auch Fortschritte? Wie sieht es momentan in Griechenland aus?
Paul: Die Troika aus EU, EZB und IWF hat Griechenland ein Sparprogramm von extremem Ausmaß verordnet. Die Schulden bezahlt dabei das Volk. Die superreichen Unternehmer, Banken und Konzerne werden verschont. So verordnet die Troika zum Beispiel Kürzungen bei den Staatsausgaben im sozialen und kulturellen Bereich. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 50%. Das Arbeitslosengeld lässt die Troika kürzen, wer länger als 1 Jahr arbeitslos ist, kriegt gar keine Unterstützung mehr, Löhne und Renten werden um 40% gekürzt. Auch der Mindestlohn wurde gesenkt. Das hat zur Folge, dass über 25% der Menschen in Griechenland unter der Armutsgrenze leben. Für viele Menschen ist z.B. die medizinische Versorgung nicht mehr gewährleistet. Ziel dieser Sparmaßnahmen war vor allem die Rettung der Banken die auf den griechischen Schuldverschreibungen saßen, allen voran deutsche. Nun ist Griechenland kein armes Land, aber während das BIP von 1990 bis 2007 um das Fünffache gestiegen ist, sind die Gewinne um das 28fache gestiegen. Griechenland belegt in der Weltrangliste der Großeinkäufer für konventionelle Rüstungsgüter den fünften Platz. Aber gespart wird bei denen die bereits in bitterer Armut leben. Das wiederrum senkt die Kaufkraft. Die Unternehmen werden ihre Waren nicht los und die nächste Entlassungswelle steht an. So funktioniert dieses System, dringend notwendige Waren werden massenhaft gehortet oder vernichtet weil sie keinen Profit machen. Das haben auch in Griechenland einige Leute gemerkt. Aus diesem Grund werden Militäreinsätze im Inneren erlaubt und es wird brutal gegen Demonstrationen und Massenstreiks vorgegangen.
Man hört immer wieder, dass die EU nicht demokratisch ist. Was ist da dran?
Paul: Den undemokratischen Charakter der EU kann man an vielen Beispielen fest machen, besonders deutlich wurde aber in der Krisenpolitik. In den letzten Jahren hat die EU in allen Mitgliedsstaaten strenge Vorgaben für die Sozial- und Haushaltspolitik gemacht. Am extremsten und direktesten wirkt sich diese Politik in Troika-Ländern wie Griechenland aus.
Bei diesen Sparprogrammen hat nicht mal das EU-Parlament Mitspracherecht. Allein die Troika entscheidet.  Dieser Verlust von Souveränitätsrechten nützt vor allem wirtschaftlich starken EU-Ländern, wie Deutschland.
Welche Rolle spielt die EU in der Ukraine?
Paul: Beim Sturz des Präsidenten Janukowitsch hatten die USA und die EU eindeutig ihre Finger im Spiel. Seit dem Putsch wurde die westukrainische Linke, bedroht durch Terror, Mord, Entführungen usw. in die Illegalität gedrängt. Der EU geht es, kurz gesagt, um eine Osterweiterung und der Zurückdrängung Russlands. Zur Durchsetzung ihrer Interessen hofieren USA und EU – allen voran Deutschland – Faschisten in Staatsfunktionen und betreiben übelste Hetze gegen Russland.

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